Die Balthasar-Freiwiß-Orgel

Prospekt der 1754 vollendeten Orgel; zur gleichen Zeit wurde vor deren Sockel die Sitzreihe des Chorgestühls eingebaut.

Der aufwendig gearbeitete Orgelspieltisch zeigt, welche Bedeutung die Kirchenmusik in Irsee Mitte des 18. Jahrhunderts hatte, als der Komponist Pater Meinrad Spieß dem Konvent angehörte.

Mit der Orgel, die Balthasar Freiwiß 1752–1754 (Jahr der Vollendung auf dem Notenblatt des linken Puttos) unter Mitwirkung eines Irseer Konventualen, des als Komponist und Musiktheoretiker namhaften Pater Meinrad Spieß (1683–1761) baute, besitzt Irsee eine der wenigen fast original erhaltenen Barockorgeln Schwabens.

Die Orgel gehört zur Gruppe der Fensterorgeln (auch in Weingarten, Diessen, Obermarchtal), d. h. der vierteilige Prospekt umrahmt das große, für die Belichtung wichtige Mittelfenster der Westfront. Beim Einbau der Orgel musste dieses Fenster allerdings teilweise zugesetzt werden. Seitlich des Fensters sind Haupt- und Pedalwerk symmetrisch angeordnet; beide Hälften verklammert ein dreiteiliges Kronwerk, das sich über einer Uhr im Fensterscheitel erhebt. Hinzu tritt ein siebenteiliges Brustpositiv in der Emporenbrüstung.

Hochentwickelte Rokokoformen

Dass zwischen der Fertigstellung der Kirche und dem Bau der Orgel ein halbes Jahrhundert liegt, verraten die hochentwickelten Rokokoformen des Orgelprospekts. Das grün-rot marmorierte Holzgehäuse ruht auf einem vielfach geschwungenen Sockel (seit 1754 mit dem Chorgestühl verbunden). Vor allem die äußerst lebhaft geschweifte, reich profilierte, bis zum Gewölbe reichende Bekrönung der Pedaltürme und das vergoldete Rocailleschnitzwerk mit den eigenartig langgezogenen, flammenartigen Auswüchsen lassen den Zeitunterschied erkennen. Musizierende Putten und Engel symbolisieren das himmlische Orchester mit Posaunen, Schalmei, Laute, Hörnern, Fagott und Harfe. Der Name des hervorragenden Bildhauers ist in den Quellen nicht genannt.

Orgelspieltisch vollständig erhalten

Geradezu ein Prunkmöbel ist der vollständig erhaltene Orgelspieltisch aus Eichenholz mit intarsierten Nussbaumfüllungen. Beidseitig liegen drei Reihen von gedrechselten Registerzügen aus Pflaumenholz übereinander, denen hübsch verzierte Messingschildchen mit dem Namen des jeweiligen Registers zugeordnet sind. Die Untertasten der beiden Manuale sind mit Schlangenholz belegt und an der Stirnseite mit Bögen aus Buchsbaum versehen; die Obertasten aus Ebenholz sind mit Bein belegt.

In das Orgelgehäuse integriert ist das zweireihige Chorgestühl. Dessen eichene Sitzbänke (um 1710/20) stammen von dem Chorgestühl, das bis 1754 im Hochaltarraum aufgestellt war und beim Bau der Orgel auf die Westempore verlegt wurde. Brüstung und Dorsalien (mit Holzeinlegearbeiten verziert) wurden zusammen mit der Orgel gefertigt. In der Mitte, genau vor dem großen Fassadenfenster, steht der erhöhte Dreisitz für Abt, Prior und Subprior; über dem Abtsstuhl ein Pelikan (Wappentier des Abtes Bernhard Beck, der das Gestühl versetzen ließ), Putten sowie Stifter- und Konventwappen.

Der Orgelbauer

Balthasar Freiwiß (1713–1783) machte seine Lehre als Orgelbauer bei Joseph Gabler in Ochsenhausen. Er hatte seine Werkstatt in Aitrang. Die Prospekte seiner Orgeln zählen zu den schönsten des Rokoko.

Literatur


"Die Orgeln von Irsee", Hermann Fischer und Theodor Wohnhaas, Verein für Augsburger Bistumsgeschichte e.V., Sonderreihe Heft 7. 2006, 144 Seiten Softcover, 8,– €.

Interessenten wenden sich an den Verein unter Telefon 0821/3166-8841.

Die Freiwiß-Orgel zu Irsee


Roland Götz spielt Schwäbisches von Isfried Kayser, Ludwig Zöschinger, Johann Speth, Johann Ernst Eberlin, Joseph Lederer, Johann Xaver Nauss, Johann Caspar Simon und Justin Heinrich Lnecht.
Kloster Irsee / studio XVII augsburg / kulturradio rbb 2009
Erhältlich über www.studio-xvii-augsburg.de, Preis 8,– €