Einst Kloster, heute Bildungszentrum

Stattliche Vierflügelanlage


Koster Irsee ist heute Sitz des Schwäbischen Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrums des Bezirks Schwaben.

Das Eingangstreppenhaus


Prächtige Ouvertüre mit überwältigender Barockszenerie – ein Schmuckstück des Wessobrunner Stuckateurs Franz Schmutzer (1676–1741).

Dass diese Vierflügelanlage errichtet wurde, obwohl Irsee damals über eher bescheidene Finanzen verfügte und zu Zeiten der Benediktiner nie mehr als 20 Patres darin lebten, lässt sich mit dem Selbstverständnis des einstigen Reichsklosters sowie dem Repräsentationsbedürfnis seiner Äbte erklären, die als Territorialherren zugleich die Aufgaben weltlicher Regenten zu erfüllen hatten.

Öffnet der Besucher das Eingangsportal im Westen, bietet sich ihm sogleich der künstlerische Höhepunkt des einstigen Klosters dar, das Treppenhaus. Es liegt in dem zuletzt (1727–1729) errichteten Flügel, der ursprünglich die Privaträume des Abtes (Prälatur) und die Gästezimmer beherbergte. Die farbenfrohe Dekoration des drei Achsen breiten, nahezu quadratischen Treppenhauses entstand etwa zwischen 1729 und 1735. Als Schöpfer des unsignierten Deckengemäldes wird der Ottobeurer Maler Franz Anton Erler angesehen. Das Bild zeigt den »Triumph des hl. Benedikt«, der in einer monumentalen Scheinarchitektur, die Welt in einer Kugel schauend, dargestellt ist. Westlich darunter erscheinen die christlichen Tugenden, südlich stürzt Luzifer in den Abgrund, im Norden gehen die Laster zugrunde, und auf der Ostseite ist Chronos zu sehen. In den Eckkartuschen sind in Grisaillemalerei Allegorien der vier Kardinaltugenden wiedergegeben. In den Arkadenbögen des 1. und 2. Obergeschosses werden Landschaftsveduten von zarten Bandwerkfigurationen aus Stuck gerahmt. Auch die Flächen unter den Treppenläufen sind mit ovalen Gemälden und graziösen Stuckornamenten reich geschmückt.

Beste Wessobrunner Schule

Neben dem großen Deckenfresko bleibt nur wenig Platz für den Stuck; dennoch entfaltet die Dekoration eine solche Fülle von Motiven und ist so qualitätvoll, dass sie als eine der besten aus der Wessobrunner Schule gelten darf. Ihr Meister heisst Franz Schmuzer. Wie etwa gleichzeitig im Kloster Weingarten, verwendet Schmuzer als Hauptmotive Putten und adlerähnliche Vögel, die auf gitterwerkgefüllten Postamenten stehen oder sitzen, Blumengirlanden, Engelsköpfe mit diamantierten Hals- und Stirnbändern, blütengefüllte Vasen auf Lambrequins, Blattmasken und Bandwerkschwünge, die im Verlauf ein kleines Quadrat oder einen Rhombus bilden.

Über die Haupttreppe gelangt man in allen Stockwerken in einen umlaufenden Gang, der die Räume verbindet. Im Erdgeschoß nennt man ihn Kreuzgang, obwohl diese Bezeichnung nicht ganz zutrifft, weil er nur in drei von vier Flügeln um den Innenhof des Klostergevierts geführt ist. Darin einfache Stukkaturen von Francesco Marazzi. Bemerkenswerte Brunnenanlage mit dem Wappen des Abtes Maurus Keuslin (1627–1664) in der Nordostecke.

Von den anderen wesentlichen Erdgeschoßräumen aus der Klosterzeit besitzen nur noch drei ihre historische Ausstattung: der zweiteilige Kapitelsaal (Raum 12) im nordöstlichen Eckpavillon mit Gemälde von Fr. Magnus Remy (»Christus am Ölberg«, sowie 10 Nebenfelder mit Leidenswerkzeuge tragenden Putten), in reiche Stuckdekoration Francesco Marazzis eingelassen. Fast identischer Stuck vom gleichen Künstler in der benachbarten Sakristei. Das Antoniuszimmer (Raum 6, jetzt Bibliothek) im nordwestlichen Pavillon, ist benannt nach dem Franz Anton Erler zugeschriebenen Deckengemälde »Das Christkind erscheint dem hl. Antonius« (um 1730/40).

Üppige Stuckaturen

Im 1. Obergeschoß ist nochmals Stuck von Franz Schmuzer zu finden, der gleichzeitig mit dem im Treppenhaus entstand: im Gang des Westflügels und im sogenannten Prälatenzimmer (Raum 102). Dieser Raum ist repräsentativ, zusätzlich mit gemalten Allegorien der vier Jahreszeiten (wohl von Franz Anton Erler), schönen Türen in profilierten Stuckrahmen und einem Ofen von 1712 versehen. Am Eingang zur ehemaligen Prälatur ein prächtiges schmiedeeisernes Gitter mit reicher Vergoldung (um 1740), in dessen Bekrönung das Wappen des Abtes Bernhard Beck (1731–1765). Im Ostflügel befanden sich ursprünglich die Zellen der Patres. Acht Räume im 1. und drei im 2. Obergeschoß weisen noch heute Stukkaturen von Francesco Marazzi (1709) auf.

Im Mittelrisalit des Südflügels lagen die Gemeinschaftsräume der Benediktiner übereinander: das einst mit Stuck und Fresko ausgestattete Refektorium, früher wie heute Speisesaal, das Mathematische Museum, heute Vortragssaal (Raum 128) und die Bibliothek. Ihrer Bedeutung gemäß wurden diese Räume reich ausgestattet. Davon zeugt der vorzügliche Marazzi-Stuck, dessen Ornamentik sich besonders üppig in der Hohlkehle entfaltet; zu den bereits bekannten Akanthuszweigen und Muscheln treten Lorbeergirlanden, Getreideähren, Rosen, Eicheln und Palmwedel.

Im 2. Obergeschoß zeigt allein die Bibliothek, heute Festsaal (Raum 228) alte Pracht; der eineinhalb Geschosse einnehmende Saal weist hervorragende, das Museum an Reichtum noch übertreffende Stuckdekoration (1709) auf, von Francesco Marazzi.

Bildungszentrum seit 1981

1802/03 wird das Kloster im Zuge der Säkularisation aufgelöst un 1849 in den ehemaligen Konventgebäuden die erste stationäre Psychatrie in Schwaben (Kreisirrenanstalt) eingerichtet. Ab 1900 ist Irsee Zweiganstalt des Nervenkrankenhauses Kaufbeuren. Während der NS-Herrschaft wurden zwischen 1940 und 1945 im Rahmen der "Euthanasie"-Programme der Nationalsozialisten in Irsee über 1500 Männer, Frauen und Kinder ermordet. In den Nachkriegsjahren wird die Anstalt bis zur Auflösung 1972 vom Bezirk Schwaben weitergeführt.

1974–1976 wird die Kirche saniert, anschließend die komplette Anlage bis 1981 originalgetreu restauriert. Seit dieser Zeit ist Kloster Irsee Siz des Schwäbisches Bildungszentrums des Bezirks. Das Denkmal für die Euthanasieopfer des Nationalsozialismus aus den Anstalten Irsee und Kaufbeuren wurde im Auftrag des Bezirks Schwaben von Bildhauer Martin Wank, Unterthingau, mit der Darstellung »Laß mich Deine Leiden singen« entworfen und in Bronze ausgeführt. Es wurde im ehemaligen Anstaltsfriedhof aufgestellt und am 22. November 1981 feierlich eingeweiht.

Denkmal für die Euthanasieopfer


von Martin Wank auf dem Anstaltsfriedhof hinter der ehemaligen Klosterkirche. Eine abgeschnittene Baumkrone birgt die Weltkugel und der auferstandene Christus will die Menschen in der Gegenwart ermahnen, dass sie von der Vergangenheit in die Verantwortung genommen werden.

Stolpersteine


2009 und 2015 setzt der in Köln lebende Künstler Gunter Demnig "Stolpersteine" vor der Irseer Klosterfassade, um auch namentlich die Erinnerung an die Opfer wach zu halten.

Lichter gegen das Vergessen


Auf Anregung des in Irsee lebenden Autors Robert Domes gedenken das Schwäbische Bildungszentrum und das Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags seit 2010 alljährlich am Allerheiligen-Tag (1. November) mit Lichtern gegen das Vergessen der Toten auf dem Irseer Anstaltsfriedhof.